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Lessons learned aus vielen Jahren Projektmanagement

Lessons learned – mit knapp Jahren 30 Jahren Projektarbeit auf dem Buckel lohnt es sich zurück zu schauen und nach „gelernten Lektionen“ zu suchen. Erfahrungen festhalten um Fehler nicht zu wiederholen oder aber auch um Gutes noch zu verbessern – das hilft langfristig weiter. Als ich begann diesen Artikel zu schreiben habe ich viele Projekte aus meinem Erfahrungsschatz Revue passieren lassen – gute und weniger gute. Gemeinsamkeiten fielen mir natürlich sofort auf, ich könnte da locker ein Buch drüber schreiben. Ich werde mich heute aber bewusst auf einige wenige „Lessons“ bei denen ich einen gewissen Lernprozess durchgemacht habe beschränken:

  • Misstraue großen Projektorganigrammen!
  • Das ultimative PM-Werkzeug gibt es nicht.
  • Druck und Angst sind die Sargnägel eines Projektes.
  • Projekt Kultur ist wichtig(er).

Misstraue großen Projektorganigrammen!

Der Projektleiter berichtet an den Lenkungsausschuss. Der Lenkungsausschuss ist Teil des Projektkommitees und wird vom Projektsteuerungsausschuss beraten. Alle Gremien berichten an das Projekt-Management-Steuerungsboard, dieses gleicht mir den Berichten aus dem Projekt-Controlling-Panel ab und berichtet an die Geschäftsführung, die wiederum dem Aufsichtsrat berichtet. Der für Projekte zuständige Aufsichtsrat sitzt wiederum im Steuerungsboard um die Anforderungen der zentralen Unternehmensentwicklung in Personalunion abzugleichen. Wehe dem Projektleiter, der in diesem bermudianischem Vieleck ein Projekt leid(t)en muss.

Ausufernde Projektorganigramme mit einer Vielzahl von Kontroll- und Steuerungsgremien sind oft Ausdruck einer Verunsicherung bzw. spiegeln das große Risiko und das vorhandene Bedürfnis zur Absicherung wider. Solche Kontrollstrukturen können zur Quelle überbordender und unklarer Anforderungen oder als Nährboden für Auseinandersetzungen dienen. Auseinandersetzungen, die nicht originär mit dem Projekt zusammen hängen aber dennoch in diesem ausgetragen werden können. Das Projekt kann gewissermaßen zum Schauplatz dieser Auseinandersetzungen werden. Die Einsetzung und Existenz dieser Gremien liegt oft außerhalb der Verantwortung des Projektleiters. Allerdings lassen sich diese Schnittstellen der Gremien zum Projekt durchaus beeinflussen. Mit der Gestaltung des Informationsflusses lassen sich Schnittstellen in Organisationen gestalten. Der Informationsfluss und damit auch die Schnittstellen sollten so klar und schlank wie möglich gestaltet werden. Standardisierte, klar strukturierte und regelmäßige Informationen können hier sehr viel helfen. Dies kann z.B. ein wöchentliches Projektjournal ggf. mit verschiedenen Zusammenfassungen für unterschiedliche Gremien sein. Dies trägt wesentlich dazu bei, dass die Informationshoheit bei der Projektleitung liegt und der Projektleiter nicht zum Spielball der Auseinandersetzungen zwischen den Gremien wird.

Das ultimative PM-Werkzeug gibt es nicht.

Die Überschrift ist die Essenz aus vielen Experimenten mit jeglichen Formen von Projektmanagement Wekzeugen – das gilt für Software und Nicht-Software ;-). Ich habe viele Kombination von Werkzeugen erlebt und konnte für keines eine besondere Korrelation mit dem Projekterfolg feststellen. Jedes Werkzeug, das ich kenne, wird in erfolgreichen und nicht erfolgreichen Projekten eingesetzt. Die Schlussfolgerung, die ich aus vielen Projekten gezogen habe lautet, jedes Projekt braucht sein eigenes Werkzeug mit dem gearbeitet werden kann und mit dem die Beteiligten arbeiten wollen. Ein Beispiel aus einem Softwareentwicklungsprojekt: Das schönste Bugtracking System nutzt nichts, wenn der Auftraggeber regelmäßig (s)eine Excel-Liste mit allen offenen Bugs haben möchte. Jetzt kommt es darauf an ob das Tool einen Excel Export in eine Vorlage unterstützt – wenn nicht steht Doppelpflege oder der Verzicht auf das Tool ins Haus. Für die Wahl von Projektmanagement Werkzeugen habe ich mir folgenden Satz hinter die Ohren geschrieben: „Nimm das Tool, das die wichtigen Menschen im Projekt nutzen können und wollen.“ Ein bestimmtes Werkzeug – und sei es noch so gut – zu „erzwingen“ verursacht nur unnötigen Stress. Und noch ein Merksatz mit schmunzelndem und leicht resigniertem Unterton: „Die ganz persönlichen Vorlieben des Projektleiters müssen in der Werkzeug-Frage oft zurück stehen“.

Druck und Angst sind die Sargnägel eines Projektes.

Menschen unter Druck arbeiten nicht schneller, sie machen lediglich mehr Fehler und vermeiden Risiken. Beides ist für Projektarbeit sehr hinderlich. Jeder Fehler muss irgendwann korrigiert werden und verbraucht dann noch mehr der knappen Zeit. Problemlösung und die Suche nach neuen Lösungen funktioniert nur mit Kreativität, die untrennbar mit einem gewissen Risikobereitschaft verbunden ist. Wenn niemand sich traut Risiken einzugehen sieht es düster aus. In vielen Projekten kommt dieser Zeitpunkt an dem die verbleibende Zeit aussichtslos knapp erscheint. Und wenn die Überstunden noch so naheliegend erscheinen sind andere Strategien besser:

  • Abhängigkeiten überprüfen und Aufgaben neu priorisieren
  • Aufgaben ggf. umverteilen
  • Mit dem Auftraggeber verhandeln

Mit dem Druck kommt auch die Angst: Angst der Mitarbeiter vor Fehlern, Angst die Verantwortung für Terminüberschreitungen aufgedrückt zu bekommen. Ein Klima der Angst verhindert auch ein wirksames Risikomanagement. Wenn die Angst und das Misstrauen Einzug gehalten haben, werden potentielle Risiken gerne verschwiegen, schließlich will keiner der Buh-Mann sein, wenn das Risiko zur Wahrheit wird. Die Angst kommt meistens auf leisen Sohlen kündigt sich aber mit folgenden Anzeichen an:

  • Kollegen werden schweigsamer.
  • Es wird zunehmend über die Aufgaben anderer und nicht über die eigenen gesprochen.

Dem möglichen Klima der Angst sollte so gut wie möglich präventiv begegnet werden. Ein sehr wichtiger Baustein dieser Prävention ist ein stabiles Wohl-Gefühl der Zugehörigkeit zum Projekt. Mit anderen Worten – und damit komme ich zum letzten Punkt – im Projekt sollte eine „echte“ Projektkultur vorhanden sein.

Projektkultur ist wichtig!

Wichtiger, noch wichtiger, am wichtigsten … um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen möchte ich den Begriff der Kultur genauer fassen. Unter einer Projektkultur verstehe ich einen Konsens aus den individuellen Kulturbeiträgen der Projektmitarbeiter sowie der firmen- bzw. abteilungsspezifischen Subkulturen. Ich spreche also von der konkreten Subkultur jedes einzelnen konkreten Projekts und nicht von einer ggf. in der Organisation definierten Projektvorgehensweise, die häufig auch als Projektkultur bezeichnet wird. Über Projektsubkulturen habe ich in den Beiträgen „Außerirdische in Projektteams“ schon ausführlich geschrieben. Wenn in einer Projektgruppe eine eigene Kultur entsteht, entsteht auch ein Gefühl für Heimat, eine Identifikation mit dem Projekt. Nichts besseres kann einem Projekt passieren, dass die Mitarbeiter sich mit dem Projekt identifizieren. Es ist eigentlich leicht zu sehen, wenn eine Gruppenkultur entsteht, man muss nur die Augen offen halten um nicht versehentlich das wachsende Kulturpflänzchen im Keim zu ersticken. Es lohnt sich nach den folgenden oder ähnlichen Dingen Ausschau zu halten:

  • Es werden Witze erzählt.
  • Alle können mitlachen, wenn Witze erzählt werden.
  • Nach einer Weile gibt es Insider Witze, die Außenstehende nicht verstehen.
  • Es ensteht eine gemeinsame Arbeits- und Pausenorganisation z.B. ein gemeinsames Whiteboard mit Zetteln oder eine gemeinsame Keks-Schublade.
  • Es gibt Rituale oder Symbole z.B. Begrüßungsformen. Projektlogo, Türschilder.

Jedes noch so kleines Anzeichen einer wachsenden Kultur sollte gepflegt werden. Und wenn die ersten Witze noch so lahm sind, ist es dennoch wichtig den Raum und die Zeit dafür zu geben. Diese Zeit ist gut investiert. Eine Gruppe, die eine eigene Kultur entwickelt ist auf dem besten Weg zum Team und ein funktionierendes Teams ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für Projekte.

Zum Schluss möchte ich die oben genannten „Lessons“ noch ein mal mit anderen Worten in Form von kurzen ToDo-Anweisungen zusammenfassen:

  • Mache die Schnittstellen zu Gremien so klar wie möglich. Übernehme die Informationshoheit.
  • Nimm das PM-Werkzeug, das halbwegs funktioniert und den geringsten Stress verursacht.
  • Achte auf die Zeichen der Angst.
  • Pflege das Projekt-Kulturpflänzchen. Gib ihm eine Chance. Achte auf das Lachen.

Und zu guter Letzt möchte ich einen ehemaligen Projektleitungskollegen zitieren – er war für ein größeres Gesamtprojekt verantwortlich, ich für das technische Teilprojekt. Auf die Frage wie er den technischen Projektfortschritt immer richtig eingeschätzen konnte, antwortete er: „Ich habe nur gelauscht ob ihr lacht“ – Projekte machen Spaß!.

Über den Autor

Eberhard Huber

Dr. Eberhard Huber projekt (B)LOG: Selbstständiger Berater für Projektmanagement. Projektmanagement, Kommunikations-Training, Gruppendynamik und Teamentwicklung in Forschung, Lehre (Universität Mannheim, Universität Magdeburg) und Praxis.
Kommentare

6 Comments

  1. Das Thema Projektkultur trägt meiner Meinung nach mindestens zu 50% zum gelingen eines Projektes bei. Wer morgens schon mit der Einstellung „Boah, schon wieder den ganzen Tag mit diesem Mist verbringen“ zur Arbeit geht, kommt einfach nicht weiter. In meiner Ausbildungsfirma war das eine lange Zeit so bei mir, weil mir einfach herausfordernde Aufgaben fehlten und auch ein Projektleiter einem selbst wichtige Informationen verschwiegen hatte, wodurch unser Arbeitsverhältnis nicht mehr wirklich gut war.

    Bei meinem jetzigen Arbeitgeber gehe ich jeden Tag mit Freude ans Werk, egal ob ich neue komplizierte Aufgaben vor mir habe oder eher nur mit „Kleinscheiß“ beschäftigt bin – alle Mitarbeiter sind super motiviert und das merkt man auch jeden Tag 🙂

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  2. Trotzdem sollte man sich nichts vormachen: Es ist immer noch Arbeit, auch wenn es mal unser Hobby war und immer noch ist. Wenn man mal keinen Bock hat oder eben _nicht_ motiviert ist, dann ist das weder ein Weltuntergang noch merkwürdig – im Gegenteil: Ganz normal.

    Auch gibt es in jedem Projekt „Mist“ auf den man keine Lust hat, der aber trotzdem gemacht werden muss. Auch hier ist es ganz natürlich, dass es einen annervt (je nach Schweregrad des Mists ;-)).

    Wer behauptet, jeden Tag mit Elan ans Werk zu gehen, niemals „keine Lust“ zu haben und jede noch so langweilige, stupide oder undankbare Aufgabe mit Hingabe, Freude und Aufopferung zu erledigen, der lügt oder hat ein gravierendes Empfindungsproblem.

    Nichtsdetotrotz stimme ich allen erwähnten Punkten des Beitrags voll und ganz zu 😉

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  3. @all … vielleicht zur Ergänzung, Projektarbeit kann manchmal auch ätzend sein. Ein weiteres Anzeichen für eine tragfähige Kultur ist, wenn man sich unter Kollegen wenigstens über den anfallenden Mist aussprechen (von „ablästern“ bis „auskotzen“) kann. Wenn das „aussprechen“ nicht mehr möglich ist, ist es nur eine Frage der Zeit bis auch die guten Aufgaben schlecht werden.

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  4. @Cem Derin: Jetzt nimmst du es aber genau 😀 Klar hat jeder Tage, an dene er keine Lust hat. Aber die sind bei mir wirklich selten – im gegensatz zu meiner Azubi Zeit!

    Ich denke als Projektleiter sollte man auch schauen, dass jeder Mitarbeiter im Projekt vor neue Herausforderungen gestellt wird und nicht nur da eingesetzt wird, wo er das meiste Wissen hat. Abwechslung ist auch ein gutes Mittel, die Leute bei Laune zu halten 😉

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